2005 - Vermuuschten Haerzer

von Dicks/ Schuster, 14.Stengeforter Festival (Uraufführung, Inszenierung und Bühnenbild)

 

Jeder Schuss ein Treffer

Marc Rollinger, TAGEBLATT 22.07.2005

 

Den Angaben Jemp Schusters zufolge ist "Vermuuschten Häerzer" ein "Koméidisstéck". Dank der Feinheiten luxemburgischer Rechtschreibung bleibt so jedoch lange unklar, ob es sich hierbei nun um die leichte Muse oder schweren Radau handelt.

 

Unprofessionell laute Gespräche und Geräusche aus der Kulisse ließen gleich zu Anfang denn auch letzteres befürchten. Eine unbegründete Sorge, wie sich herausstellen sollte, denn diese Fusion zweier nicht eben geistreicher Dicks-Operetten zu einer musikalischen Boulevardkomödie kann man, abgesehen vom unausgegorenen Exitus, als durchaus gelungen ansehen.

 

Der Handlungsstrang einer Familienfeier an Kirchweih, die durch gesteigerten Alkoholeinfluss und erhöhten Testosteronausstoß minütlich zu implodieren droht, trägt ohne weiteres über 75 reichlich kurzweilige Minuten.

 

Schon der erste Dialog über das einigende Band der gemeinsamen Pastetenfertigung setzt hier Zeichen. Jean-Paul Maes glänzt durchweg als Haustyrann und Schürzenjäger, der auch vor der Tochter seines Vetters und Untermieters nicht halt zu machen gedenkt. Die Namensgebung der Vetternbrut ist hierbei weder unschuldig noch zufällig: neben dem stets überlegenen Victor (Jean-Paul Maes), dem besserwisserischen Conrad (Marcel Heintz) und dem sich stets bereitwillig umherstoßen lassenden Néckel (Fons Kontz) macht besonders die Witzfigur Hilaire (Jean-Marc Calderoni) seinem Namen alle Ehre.

 

Die Rolle der umhertuckernden Schwuchtel vom Dienst, die Calderoni mit vollem Körpereinsatz und zum Ergötzen der Zuschauer ausfüllte, blieb jedoch eine der wenigen Platitüden dieses Abends.

 

Gegenüber diesen Schießbudenfiguren hatten es wie immer die nuancierteren Charaktere schwer, sich durchzusetzen. Der Ernst, mit dem Claire Thill und Marc Sascha Migge die komplett unglaubwürdigen Turteltauben Lisy und Hakim darzustellen versuchten, stand denn auch in einem unüberbrückbaren Kontrast zu den Klischee-Zelebranten der ersten Reihe.

 

Eine Kerbe, in die zu allem Unglück auch noch die Garderobiere lustvoll hinein hieb, indem sie die angeblich züchtige Lisy als eine Art Tambourmajor in Umstandskleider steckte und den vorgeblich netten jungen Hakim wie einen rumänischen Autoschieber ausstaffierte. Dazu machten weder Text noch Sprachduktus oder gar sein Gesang es dem Zuschauer psychologisch einleuchtender, wieso um alles in der Welt dieser Hakim der perfekte Schwiegersohn sein sollte, als den ihn Néckel den Zuschauern präsentiert hatte. Warum aus Dicks' Underdog überhaupt ein Orientale und kein Vertreter einer in Luxemburg relevanteren Minderheit geworden war, blieb im Grunde ebenso im Dunkel wie das Ende des Stücks. Denn obwohl die Hostessen-Kolonne wiederholt Rattengift gleich Hühnerfutter verstreute, blieb unersichtlich, wie es von dort in den Magen des Kotzbrockens Victor hätte gelangen können. Dessen muss sich irgendwann auch die Regisseurin Eva Paulin bewusst geworden sein und so ließ sie den Scheintoten in den allerletzten Bühnensekunden wiederauferstehen und mit den restlichen Schnapsleichen "I'm in heaven" trällern - unausgegoren, aber beschwingt!

 

Als beispielhaft für einen gelungenen Spagat zwischen Schauspiel und Sottise sollte man hingegen den Auftritt Monique Reuters werten, die charakterlich übergangslos vom Ferkel zum Igel und wieder zurück mutierte. Allein bei ihrer Lebensbeichte hätte man ihr lieber einen Monolog einräumen sollen, als sie von einer Art Chor der Aushilfskellner sekundieren zu lassen, welcher musikalisch zwar stets nach Harmonie strebte, jedoch nicht immer simultan.

 

Der musikalischen Bearbeitung muss man insgesamt hingegen ein großes Lob aussprechen: Sérgio Rodrigues, Fred Hormain und Sheila Pigeon sorgten mit ihren modernen Arrangements luxemburgischer Ohrwürmer für Stimmung und rundeten das Tableau moderner luxemburgischer Lebensart stilecht ab.

vita

projekte

informationen