2009 - Ein Teil der Gans

von Martin Heckmanns, Theatre des Capucins

(Inszenierung)

 

Abgründe, Fragen und Identität

Eva Paulin inszeniert Martin Heckmanns Komödie "Ein Teil der Gans"

Luxenburger Wort, 20. 1. 2009

 

An Sankt Martin erwartet das eher bieder-langweilige Paar Victor und Bettina vielversprechenden, wichtigen Besuch in seinem geräumigen, wenngleich

nicht abbezahlten Eigenheim: Die arbeitslose junge Frau erwartet sich von dem Abendessen mit dem Hotelbesitzer Amin und dessen Frau Tara eine Anstellung als Empfangsdame.

 

Aber statt des erwarteten Besuchs klingelt ein unbekannter dunkelhäutiger

Mann mit Rasta-Frisur an der Tür, der wegen einer vorgeblichen Autopanne um Einlass und die Möglichkeit eines Telefonats bittet.

 

Bettina hat allerdings Angst vor dem Fremden und will sich das anstehende Treffen mit ihrem möglichen Arbeitgeber nicht verderben. Deswegen lässt sie ihn trotz kaltem Herbstwetter von ihrem Ehemann Victor vor die Tür setzen, wo er auf einem Gartenstuhl warten soll.

 

Bei ihrer Ankunft zeigen sich Amin und seine Frau jedoch überaus verwundert über den Mann vor der Tür, den Victor und Bettina als einen gestörten Weinhändler

darzustellen versuchen.

 

Amin bittet nun Bettina, sich als Empfangsdame zu beweisen, den Mann in ihre Wohnung zu laden und ihn als Gast mit der nötigen freundlich-bestimmten Distanz aufzunehmen.

 

Psychologisches Vexierspiel um Identität und Vorurteile

 

Die Komödie nimmt ihren Lauf, wobei sich im Laufe des zunehmend entgleisenden Abends nicht nur ein paar allzu menschliche Abgründe auftun, sondern es stellen sich auch immer dringendere und sogar bedrohlichere Fragen

nach der wirklichen Identität aller Figuren – ein gefährliches psychologisches

Vexierspiel mit völlig ungewissem Ausgang ...

 

Den Hintergrund der rasanten, hinterhältig-überraschenden Komödie"Ein Teil der Gans" von Martin Heckmanns bildet dabei aber auch die Auseinandersetzung

mit der Frage nach dem Umgang mit Fremden und der Macht der Gewohnheit, wobei misstrauische Vorurteile und unverhohlene Xenophobie im modernen Kontext von Migration, Globalisierung und hybrider Patchwork-Identität aus

unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden – ein perfides Spiel mit der menschlichen lebensnotwendigen (?) Vorurteilsfähigkeit.

 

Der Regisseurin Eva Paulin ist eine geradlinig-stimmige Inszenierung

gelungen, welche die psychologische Widersprüchlichkeit der handelnden Personen überzeugend herauskrisallisiert.

 

Nora Koenig brilliert in ihrer Rolle als bigott-biedere Hausdame, die sich bei ihrem möglichen Arbeitgeber zukünftig opportunistisch anbiedern möchte und der letztlich alles aus dem Ruder läuft. Auch Joachim Paul Assboek versteht es meisterlich, sich in die Rolle des kleingeistigen, bornierten Gastgebers mit doppeltem Boden zu versetzen. Neven Nöthig inkarniert mit großer Wandlungsfähigkeit die vielschichtig-widersprüchliche, manipulativ-bedrohliche Persönlichkeit des Hotelbesitzers Amin mit gewalttätig-cholerischer Grundtönung. Fabienne Biever zieht ebenfalls sämtliche Register ihres schauspielerischen Könnens und mimt mit Brio die proteisch-abgründige, exotischattraktive Gattin Tara an Amins Seite. Nikolaus Okonkwo alias Max Vonn aus Tansania besticht, ungeachtet der eher verhalten-zurückhaltenden Rollenvorgabe, durch seine starke Bühnenpräsenz.

 

Das tiefgründige, schwarzhumorige und grotesk-komische

Stück "Ein Teil der Gans" ist eine Koproduktion des Kapuzinertheaters

mit dem Theater Trier.

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